Als am Samstag, dem 2. Juni 2018 kurz vor 22 Uhr und viel später als ursprünglich geplant der letzte Pfiff des tschechischen Schiedsrichters Pavel Kralovec ertönte war eines plötzlich Realität: Österreich schlägt Deutschland, Käsekrainer schlägt Currywurst, Topfen schlägt Quark und Eskimo schlägt Langnese.
Der Abend, der mit einem Donnerwetter negativer Natur begann und kurz vor dem Abbruch stand endete auch mit einem solchen. Diesmal blieben jedoch positive Gefühle der Freude, des Selbstbewusstseins und vor allem der Genugtuung, dem amtierenden Weltmeister und Lieblingsfeind Deutschland ein Bein gestellt zu haben, nachhaltig in Erinnerung.

Natürlich, Berufs-Pessimisten und Profi-Suderanten dies- und jenseits des Alpenhauptkamms mögen Argumente wie „das war ja nur ein Testspiel“ oder „die Deutschen haben ja nicht mit ihrem Top-Aufgebot gespielt“ auf das Tableau bringen. Diese Argumente sind zwar diskutabel, führen aber letztendlich immer zu einem „Was-wäre-wenn“-Spiel ohne eindeutige Antwort. Joachim Löw bot, mit Ausnahme der Innenverteidigung, wo, körperliche Fitness vorausgesetzt, eher Hummels und Boateng erste Wahl wären und dem Sturmzentrum, wo etwa ein Gomez wohl eher in der Startelf stehen dürfte als Nils Petersen, eine durchaus mit Hochkarätern gespickte Startformation auf und stellte vor allem Stammtorhüter Manuel Neuer nach siebenmonatiger Verletzungspause erstmals wieder auf die Probe. In den Interviews nach dem Match wirkte der deutsche Teamchef sichtlich verärgert und nahm die Niederlage durchaus nicht auf die leichte Schulter.
Vor allem in den deutschen Medien, in denen das Neuer-Comeback die erste Geige in der Berichterstattung spielte und hinsichtlich seiner Relevanz deutlich über dem Resultat stand, wurde hingegen sichtbar: die offen gelebte Rivalität ist vor allem einseitig. Das macht sie für uns Österreicher jedoch noch größer.
Die deutschen Fußball-Aficionados haben, auch aufgrund des zunehmenden Ritts auf der Erfolgswelle, längst die Niederlande, Frankreich oder Italien als Rivalen auserkoren. In Österreich genießen die Deutschen spätestens seit Cordoba 78 den Ruf als Erzfeind, der uns genau durch diese einseitige Rivalität nochmals „unsympathischer“ wird. In der allgemeinen Wahrnehmung, in der die ÖFB-Auswahl von deutschen Boulevardmedien nur allzu gerne als „Ösis“ oder „Alpen-Kicker“ bezeichnet wird, lässt sich eine gewisse öffentliche Überheblichkeit feststellen. Und so kaprizieren sich alle landläufigen Vorurteile von Handtuch-Besetzern über Weiße-Socken-in-Sandalen-Trägern bis hin zu Numerus-Clausus-Flüchtlingen an unseren Hochschulen auf eines: den Fußball. Wie müssen sich deutsche Fußballprofis wohl fühlen, wenn sie bei einer Vielzahl ihrer Ballberührungen in einem Freundschaftsspiel ausgepfiffen werden und eigentlich nicht wissen, was der Grund dafür ist? Hier bildeten Mesut Özil und Ilkay Gündogan eine Ausnahme, weil ihr Fotoshooting mit dem türkischen Präsidenten nicht nur in Deutschland, sondern auch in Österreich anscheinend nicht ganz unbemerkt blieb. Das Match bekam also sogar noch eine politische Note.

Doch was bleibt letztendlich von diesem bemerkenswerten Abend im Juni nachhaltig in Erinnerung? Martin Hintereggers linker Volley-Hammer? Marko Arnautovics „Cordoba heißt jetzt Klagenfurt“-Sager? Oder doch der Schnupfen, den man sich aufgrund der widrigen Witterung vor der Partie im Stadion eingefangen hat?
Auf alle Fälle bleibt ein Sieg gegen Deutschland, der auch wettbewerbsunabhängig doppelt so süß schmeckt und nach 32 Jahren Durststrecke auch überfällig war. Natürlich müssen unsere Kicker am Boden bleiben (was ihnen meistens besser gelingt als dem euphorischen Publikum). Und natürlich zählen „Jogis Jungs“ auch heuer in Russland wieder zum erlauchten Kreis der WM-Favoriten. Aber für mich als langjähriger Beobachter der hiesigen Kicker-Elite, der in seiner Jugend oft mit Spielanalysen wie „die Mannschaft hat sich sehr bemüht, aber letztendlich hat es nicht gereicht“ konfrontiert wurde und auch schon 0:9-Niederlagen live mitverfolgen durfte, war es auf alle Fälle ein bemerkenswerter Abend, der mit nahezu ekstatischer Freude auf den Rängen des oft gescholtenen Klagenfurter Wörthersee-Stadions endete. Ein guter Freund und Gleichgesinnter sah sich in einem Moment überschwänglicher Glückseligkeit gar am „Zenit seiner Fußball(Zuseher)-Karriere“. Dem ist nur noch hinzuzufügen: Österreich 2, Piefke 1 – danke Jungs!
