Briefe vom Katzentisch

Wohin des Weges, tu felix Austria? Gähnende Leere oder warum dieser Wahlkampf irgendwie anders ist

Nächstes Wochenende wählt die Republik. „Schon wieder!“, mögen sowohl Politikinteressierte als auch Abstinenzler monieren. Und damit haben sie recht. Denn vor gerade einmal zwei Jahren war uns auch nach Wahlkampf. Begriffe wie Silberstein, Schmutzkübel und Glaskinn waren in aller Munde. Bereits im Sommer des Jahres 2017 waren Spitzenkandidaten Stammgäste bei jeder Festivität in nahezu allen Orten, an denen ein Maibaum steht. Die einen wirkten fast natugegeben wie der Messias und die anderen mussten unter als Margarita- und Tonno-Austräger agieren, um Volksnähe abseits vom Bundeskanzler- und Bahnmanageralltags zu symbolisieren. Das Kanzlerduell schaukelte sich hoch, wenngleich die Umfragen Recht behielten und der mittlerweile jüngste Alt-Kanzler aller Zeiten das bessere Ende für sich hatte. „Kurz“ gesagt: es war ein Spektakel.

Ein Blick ins Jahr 2019: wenig zur Schau gestellte Volksnähe, kein Feuerzeuge-Austeilen, kein Volksfest-Schunkeln: der Wahlkampf spielt sich ausschließlich in den TV-Studios dieser Republik ab. Mehrere Privatsender und der staatliche Rundfunk liefern sich ein Säbelrasseln rund um die politischen Aushängeschilder aller Couleurs. Spitzenkandidaten duellieren sich in verschiedenen Abfolgen, mal kurz, mal lang, einmal unvorbereitet als „Blind Date“, meistens aber bestens auf ihr Gegenüber eingestellt. Nach mehr oder minder symbolischen Buchgeschenken oder sogar schon nach der letzten ausgesprochenen Silbe wird jedes gesprochene Wort auf die Waagschale gelegt und knallhart zerlegt. Irgendwie bleibt der Eindruck, Peter Filzmaier, Wolfgang Bachmeyer und Co. sind die eigentlichen Stars des Wettredens. Und wenn einmal gerade nicht Prime Time ist, sitzen die Wahlwerber in der Pressestunde oder mit Redakteuren der Kleinen Zeitung im Zug. Dieser fährt seltsamerweise immer von Wien nach Linz oder retour. Logisch, denn weiter weg dürfen die Politgranden ja nicht fahren, müssen sie doch am Abend wieder im Scheinwerferlicht eines Wiener TV-Studios sein. Kein Schunkeln, kein Biertrinken, keine Wahlkampfsongs. Vielleicht fehlt allen politischen Akteuren (und nicht nur den Grünen) aufgrund der Dichte an Wahlkämpfen in den letzten Jahren aber auch schlichtweg an Kapital für ausufernde Wähler-Keilereien.

Etwas, das den Sozialdemokraten ja angeblich schon seit Jahren fehlt, ist nun auch im Wahlkampf an sich nicht eindeutig identifizierbar: die Erzählung. Kein Thema sticht heraus, die Flüchtlingsproblematik scheint nicht akut, die Wirtschaft brummt (noch) und unsere Medienlandschaft ist scheinbar so attraktiv, dass sie sogar bei osteuropäischen Oligarchentöchtern ein attraktives Asset im Portfolio sein könnte. Der Klimawandel, so bedeutend er ist, wird zwar von allen angesprochen, reicht aber alleine nicht zur Gewinnung von Wählerstimmen. Dazu ist seine Lösung (sofern es diese überhaupt gibt) viel zu komplex. Da greift man lieber in die Trickkiste und thematisiert Urlaubsaufenthalte in Nobel-Etablissements an der Cote d’Azur, denn darüber lässt es sich herrlich lamentieren. Der Hintergrund wird oft ausgeblendet, es reicht den Mitbewerber „anzupatzen“. In diesem Fall traf es Pamela Rendi-Wagner, die Jeanne d’Arc der Sozialdemokratie. Denken fällt oft schwer. Dies verwundert aber auch nicht in einem Land, dessen Regierung aus Experten sich, mit Ausnahme eines motivierten Verteidigungsministers, außerordentlich bedeckt hält. „Wenigstens streiten sie nicht!“ ist bei uns schon ein Qualitätsnachweis. Gleichgültigkeit als Maxime des Österreichertums – eh klor!

Anno 2019 fehlt auch ein, zumindest selbst inszeniertes, Kanzlerduell. Vor zwei Jahren hieß es zumindest nach außenhin noch Kurz gegen Kern. Heuer magelt es nicht nur an wehrhaften Kontrahenten für den türkisen (Alt-)Babykanzler, sondern auch an Charisma, das einen Wahlkampf zumindest unterhaltsam werden lässt. Menschen – Tiere – Attraktionen! Vielleicht hat Sebastian Kurz aber auch schon den Nimbus des türkisen Messias verloren und wird nun anders wahrgenommen. Es wird ihm beim Blick auf die Meinungsumfragen recht egal sein.

Am 29. September heißt es „Rien ne va plus“ und wir werden wissen, wie die Polit-Posse namens Nationalratswahl 2019 ausgegangen ist. Ein Lichtblick: Behalten die Meinungsforscher recht, dann dürften zumindest die folgenden Koalitionsverhandlungen ungleich spannender werden. Bis die neue Bundesregierung steht können wir uns noch über die Expertenregierung und unsere elegante Verfassung freuen. Nichts geht mehr? Wohl eher: Alles fließt!

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