Stanglpass

Zum allgemeinen Fußballfieber und der Lage der Nation…

Diese kleine Geschichte richtet sich an jene Landsleute, die mit dem runden Leder (bzw. heutzutage eher Plastik) zumindest etwas anfangen können oder den ganzen Zirkus zumindest bei Großveranstaltungen ein wenig verfolgen. Alle anderen können sich die nächsten Zeilen zwar gerne zu Gemüte führen, jedoch möchte ich mir nicht im Nachhinein die Vorwürfe gefallen lassen müssen, eure wertvollen Lebenszeit gestohlen zu haben. Vielleicht gelingt es mir aber, jemanden von euch mit ins „Fußball-EURO-Fieber-Boot“ zu holen.

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Wie viele vielleicht bemerkt haben startet am morgigen Freitag die Fußball-Europameisterschaft 2016 in Frankreich, an der auch Österreich endlich nach erstmalig erfolgter sportlicher Qualifikation teilnehmen darf. Aufgrund dieses, für unser Nationalteam zugegebenermaßen ziemlich bedeutenden Erfolges waren unsere „Helden“, ihre Gesichter und ihre Geschichten in den Medien im Allgemeinen und im öffentlich-rechtlichen Fernsehen im Speziellen in den vergangenen Wochen und Monaten quasi omnipräsent. Keine Werbepause im ORF vergeht ohne Pippi-Langstrumpf-Fuchs, Media-Marko-Arnautovic oder David-„I bin a Kika“-Alaba. Laufend werden Dokus produziert, die   klingende Namen wie „Die Stunde der Sieger“ tragen. Und der Übungsleiter des Nationalteams, welcher sich in den letzten Jahren angeblich zum „Lieblings-Schweizer“ (O-Ton Oliver Polzer) gemausert hat, kommt, so macht es den Anschein, an keiner nationalen oder sogar kommunalen Ehrung vorbei und hat im heimischen Wohnzimmer möglicherweise schon mehr Ehrungen der Republik Österreich als Trophäen aus seiner aktiven und passiven Fußball-Karriere stehen.

Vielleicht ist dies, neben einer fürstlichen Entlohnung, aber auch nur als geschicktes Manöver der Republik zu verstehen, um ihn für die Tätigkeit des nationalen „Ober-Allenatore“ (neben den vielbesungenen 8 Millionen Teamchefs im Lande), für weitere Jahre zu binden. Er selbst nimmt dies alles mit Wohlgefallen zur Kenntnis und surft auf der Sympathiewelle munter mit, indem er sich für kein Interview, für keinen persönlichen Facebook-Beitrag und vor allem für keine Wettanbieter-Werbung in, zugegebenermaßen sehr gut imitiertem, elegantem Wiener Werkstätten-Jargon zu schade ist.

Auch im Team selbst soll die Stimmung großartig sein, alle Spieler und Betreuer sind fröhlich und scherzen, lachen und spaßen den ganzen Tag (mit Ausnahme eines Innenverteidigers aus dem Oberen Gurktal).

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Alles könnte also so perfekt sein. Die Menschen können sich auf eine erfolgreich EURO freuen, die von den Problemen im Land, welche für uns groß, im Hinblick auf andere Erdteile jedoch nahezu nichtig erscheinen, erfolgreich ablenken soll. Die allgemeine Glückseligkeit wird seit gestern Abend auch im ORF von unseren großen Helden abseits des Spielfelds wie Rainer Pariasek und Herbert Prohaska (dem „Tauben-Fütterungs-Pensionisten“) verbreitet. Auf nahezu jede Kleinigkeit, welche im ÖFB-Team während der Vorbereitung passieren könnte, wird medial eingegangen. Mäßig spannende Show-Trainings werden zur Gänze übertragen und man hofft mit Inbrunst darauf, dass bei allen Spielern die Klospülung am Zimmer funktioniert, damit sie sich nur ja auf das Spiel konzentrieren können.

Nun ja, bei all dem Hype könnte man fast meinen, unsere 22 Legionäre + Robert Almer wären schon jetzt im Olymp des Fußballs angekommen und nahezu unschlagbar. Die mäßigen Testspielleistungen sind in den ersten EM-Berichterstattungsblöcken des ORF nahezu kein Thema, wenn sie kurz angeschnitten werden, dann fallen sie nicht ins Gewicht.

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Ich persönlich bin ein großer Fan des Nationalteams, habe schon viel mitgelitten, mitgejubelt und mitgezittert, hoffe noch immer, in Lebzeiten einen Sieg gegen den ungeliebten Nachbarn Deutschland feiern zu können (und sei es nur in einem sogenannten „Testspiel“) und bin nach wie vor der Überzeugung, zu Lebzeiten noch nie so ausgelassen einen Treffer gefeiert zu haben als nach Ivo Vastics Elfer-Ausgleich gegen Polen 2008. Ich fiebere der EURO auch schon ziemlich entgegen und lasse mir wahrscheinlich nur wenige Spiele entgehen (und sei es es Albanien gegen Rumänien). Dennoch denke ich, dass man die buchstäbliche „Kirche im Dorf“ lassen und alle Aufgaben ernst nehmen sollte.

Die österreichische Fan-Mentalität lässt sich manchmal recht simpel mit den Worten „himmelhoch-jauchzend – zu Tode betrübt“ beschreiben. Dieses Plädoyer geht vor allem an alle, die uns nach dem Schweden-Spiel schon quasi als Europameister gesehen haben und nach der Holland-Niederlage am Samstag schon wieder die „Das-wird-eh-nix“-Parolen losgelassen haben: Steht zum Nationalteam, hofft auf Großes, aber seid nicht grantig, wenn wir nicht ins Finale kommen!

Immerhin, um auch die anderen Nationen, die ja angeblich auch nach Frankreich fahren, am Rande zu erwähnen, gibt es ja auch noch ein teilweise runderneuertes Spanien, die neuen „jungen Wilden“ aus England, die, sicherlich bis in die Haarspitzen motivierten Gastgeber und ja, ich erwähne sie mit einem dezenten Zähneknirschen, unsere immer wieder als klassische „Turniermannschaft“ bezeichneten nördlichen Nachbarn. Nicht zu vergessen Belgien, Italien, Portugal und weitere sogenannte „Geheimfavoriten“.

Abschließend wünsche ich uns allen (oder zumindest jenen, die es nur annähernd interessiert) eine spannende, erfolgreiche und, in diesen Zeiten wohl das wichtigste, friedliche Europameisterschaft!

Möge der Beste gewinnen (also vielleicht doch Österreich)! 🙂

 

PS:

An alle Fußball-Abstinenzler unter meinen Freunden: Ihr könnt natürlich auch in den nächsten Wochen wie gewohnt jederzeit auf ein herrliches kühles Blondes, Braunes oder Bernsteinfarbenes bei mir eintrudeln – seid nur bitte nicht böse, wenn ich während unseres Gesprächs manchmal einen kurzen Augenblick abwesend bin und mein Gesicht dem TV-Gerät zuwende. In diesem Sinne – Prost, Slainte und Na Zdravje!

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