Ach, 2020, was hast du bloß noch vor mit uns? Nachdem wir uns heuer an neuartige Fremdwörter aus verschiedenen Kulturkreisen wie „Lockdown“, „Social Distancing“, „Contact Tracing“ oder „Triage“ (oder war es doch „Drainage“?) gewöhnen mussten, kommt jetzt auch noch das erste Weihnachtsalbum von Andreas Gabalier. Kunst und Kultur haben Pause (oder finden ihr bitteres Ende), nur der Volks-Rock’n’Roller trällert am Samstagabend auf ORF 2 „Last Christmas“ in die österreichischen Wohnzimmer. Kein Christkindlmarkt, keine Punsch-Exzesse, kein Glühmost-Zuckerschock, dafür übermäßig viel Pomade am Oberhaupt des Steirertums. Auch wenn ich, der nach der ersten Anmoderation entschlossen das Fernsehkastl ausgeschalten hatte, keine O-Töne zur Entstehungsgeschichte dieser bahnbrechenden Idee gehört habe, werden diese wohl so, oder so ähnlich, ausfallen: „Gerade in dieser schweren Zeit möchten wir den Menschen etwas Weihnachtsstimmung und Besinnlichkeit ins Wohnzimmer bringen.“ Fernseher aus, Schnaps auf!
Nach Frank Sinatra, Mariah Carey, Michael Bublè und Helene Fischer nun also Volks-Rock’n’Roll unter dem Stern von Betlehem. Auch Gabalier begibt sich in den obersteirischen Kuhstall und melkt mit Vergnügen die christliche Cash-Cow. Sicherlich wird das Album der Hit unter den österreichischen Christbäumen. Wobei: das unsinnigste Weihnachtsgeschenk ist meiner Meinung nach wohl ein X-Mas-Album. Weihnachts-CDs, die scheinbar bei jedem halbwegs bekannten Künstler irgendwann, wenn ihn einmal nicht die Muse küsst, zum guten Ton gehören. Dann heißt es plötzlich „Driving Home for Christmas“ statt „U-la-palu“. Und dann liegt diese CD (ja, in der Schlagerbranche kauft man noch CDs) unterm Christbaum und interessiert, nachdem sie am Heiligen Abend noch einmal blunznfett von allen durchgegrölt wurde, schon am verkaterten Christtagsmorgen niemanden mehr und bleibt (im Idealfall) bis zum nächsten Jahr im Schrank. Sinnvollere Geschenke wären, in Hinblick auf die Lockdowns Nummer 3 bis 6, zum Beispiel ausreichend Biere und Weine, 5G-High-Speed-Internet (wenn das nicht für Corona verantwortlich ist) oder Raumtrenner, um den Haussegen im rechten Winkel zu belassen. Ebenso sollen laut Medienberichten vor dem aktuellen Hausarrest Schuhe und Designer-Jogginghosen recht angesagt gewesen sein. Designer-Jogginghosen – allein wenn ich dieses Wort lese, glaube ich nicht, das unsere Gesellschaft noch Zukunft hat. Das heurige Weihnachtsfest werde sicher „anders“, wird immer betont. Das stimmt, besonders für viele PflegerInnen, Reinigungskräfte und SupermarktkassiererInnen, die das gesamte Jahr brav gehackelt haben, um den Saftladen Österreich einigermaßen am Laufen zu halten, und nun mit einem traurigen Weihnachtsfest, womöglich alleine, belohnt werden. Besten Dank dafür!
Doch was soll‘s: Der heimische Rundfunk bemüht sich unermüdlich um vorweihnachtliche Stimmung. Alleine der gebetsmühlenartig wiederholte Trailer, in dem eine sympathische Frauenstimme „Weihnachten daheim“ säuselt, wirkt besonders im Hausarrest-Jahr 2020 schon ein bisschen wie Heuchelei. Weihnachten ist ja für viele, die ihre leuchtenden Kinderaugen bis ins Erwachsenenalter gerettet haben, nach wie vor ein kurzer paradiesischer Augenblick im Kreise ihrer Lieben. Ich halte es da eher mit Harald Juhnke und seinem Zustand des Paradieses: „Keine Termine und leicht einen sitzen!“ In diesem Sinne öffne ich einen Weihnachtsbock, such nach einer Spotify-Playlist mit „Barcelona Beach Vibes“, um nur ja jedem „Frosty Snowman“ aus dem Weg zu gehen und schaue den Regentropfen beim Tanzen zu. Insgeheim freue ich mich schon wieder auf das Paradies, wie es Gerhard Polt kürzlich beschrieben hat: „Einen frischen Wurstsalat und eine gut gekühlte Halbe in einem Kastaniengarten – das kommt dem Paradies schon ziemlich nahe!“ In diesem Sinne erfreue ich mich an den einfachen Dingen des Lebens. Prost, Mahlzeit und eine schöne Adventszeit!
Und wer es verpasst hat: eine ausführliche Analyse des stimmlosen Weihnachtsabends im ORF gibt es im Kurier.
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