Ein Jahr ist es nun schon bald her, seit die Spike-Proteine des Fledermaus-Virus begannen, unsere Welt gehörig durcheinander zu wirbeln. Mit der Pandemie haben sich auch viele Rituale geändert. Ganz besonders das der Begrüßung. Wo sich noch vor nicht allzu langer Zeit Menschen mehr oder weniger freundlich die Hände zum Gruß entgegen streckten, kommt einem ebendiese kleine Geste mittlerweile wie ein biochemischer Anschlag vor. Googelt man den „Handschlag“, so wird dieser in unzähligen Tutorials als Grundvoraussetzung für Karriere, dickes Auto, Lebensglück und Seelenheil angepriesen. Und das, obwohl er schon seit nunmehr fast einem Jahr nicht mehr en vogue ist.
Innerhalb kürzester Zeit ist die vielbesungene Handschlagqualität nicht mehr das, was sie einmal war. Der gebeutelte Händeschüttler und In-die-Augenschauer fragt sich, wie lange es dauern wird, bis die vielzitierte „Hands-on-Mentalität“, die still und heimlich Einzug in nahezu jede Job Description gefunden hat, wieder aus den Stellenanzeigen verschwindet. Ein Schlag ins Gesicht für gewerbliche Personal-Recruiter. Was wäre der Ersatz? Elbow Technique? Faustwumms?
„Jetzt hört’s auf zum Streiten und gebt’s euch die Hände!“ So sprach die Mutter, wenn Lego-Steine wild zwischen Bluts- und Nicht-Blutsverwandten Infantilen hin- und hergerissen wurden. Was wird man den so genannten „Coronnials“ sagen? Die Ghettofaust oder der angestrengt angewinkelte Ellenbogen stellen auch hier keine so rechte Alternative dar.
Noch bis vor kurzem war ein schwammiger Handschlag für so manches Mitglied der Nachkriegsgeneration Anlass für wüste Beschimpfungen, dem Zweifel an der jungen Generation und der Anfang vom Ende der Zivilisation. Mittlerweile wirkt eine zum Handshake ausgestreckte Fremdhand wie der Beginn eines Splattermovies. Der Handschlag wird zum „Fehlverhalten“, körperliche Berührung zur „Fahrlässigkeit“. Gutes Benehmen ist eben nicht immer gefragt.
Auch aus unseren machthabenden Politikern wurden Krisenjongleure statt der passionierten Händeschüttler. Viele Unternehmen, die im Moment der alten und nicht gerade kostengünstigen Mitarbeitergarde den „Golden Handshake“ geben, tun dies nur noch virtuell.

Doch nachdem wir alle an der Nadel hingen und mit dem scheinbar göttlichen Zaubermittel versorgt wurden, wird das Begrüßungsritual seinen nächsten Frühling erleben. Ich für meinen Teil rate meiner näheren Umgebung, sich vorzusehen. Bussis, Handshakes und free Hugs für alle! Ganz so schnell wird es freilich nicht gehen. Für einen Moment werden wir uns alle so fühlen wie Adam und der Gottvater in Michelangelo’s „Erschaffung Adams“. Die gottväterliche Vakzine wird uns mit der richtigen körperlichen Berührung wieder zum Leben erwecken. Wenn auch nur in Libellenwimpernschlägen. Dennoch: In kleinen Schritten zur Ekstase lautet die Devise. Letztendlich gilt: Lieber Hände schütteln als anderen aus der Hand fressen, damit wir am Ende nicht schon wieder von Schlange, Fledermaus oder dem menschlichen Hochmut aus unserem komfortablen Paradies vertrieben werden.
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